Ent/Zauberberge (Tirol 2025)

"Die beiden Orte Obergurgl und Hochgurgl werden als die 'Diamanten der Alpen' bezeichnet, da hier Luxus und gediegene Atmosphäre für den anspruchsvollen Gast vorherrschen. Qualität, Individualität, unverwechselbares Ambiente, Champagnerduft. Der Diamant in den Alpen eben. Ein Treffpunkt für Menschen mit Stil und Gefühl." —Tourismuswerbung Ötztal

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Ich bin ein Meermensch: Meer ist Sehnsucht -- für mich. Deshalb trieb mich die Neugier in die Alpen. Freunde empfahlen uns einen Ort im Tiroler Ötztal in 2.000 Metern Höhe, gerade unterhalb des Hauptkamms der Alpen.

Wir suchen nicht den Champagnerduft, wir suchen unberührte Natur. Also wanderten wir. Zuerst die einfachen Wanderungen im Wanderführer, bald auch die mittelschweren Touren: vom Gletscher hinab ins Tal, hinauf zu Bergseen und Wollgraswiesen, über zyklopische Blockströme, durch rauschende Gletscherbäche, begleitet von Sonne, Wolken, Schnee und Regenschauern.

In den einsamsten Momenten sah und fühlte ich angesichts der ewigen und urgewaltigen Berge die hilflose und kleine menschliche Existenz; existenzielle Fragen, die sich die einsam Wandernde inmitten von Weite und Erhabenheit stellt, wenn sie in das Nichts aus Nebel schaut. Grandiose Vistas, die ich wie Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ schaute, ließen den Atem stocken; in gemütlichen Hütten durch Fenster eingerahmte Blicke auf schneebedeckte Gipfel von reiner Schönheit spendeten Erbauung.

Doch als jemand, dem die Berge neu sind, rückte bald der schockierende Eindruck der humanen Überformung durch die winterliche Skitourismusindustrie in den Vordergrund der Wahrnehmung.

Ganze Berge, majestätische Dreitausender, hat der Mensch sich mit von mannshohen Leitplanken bewehrten Gletscherstraßen, Mountain Bike Tracks und Bergbahnen untertan gemacht. Wir sahen Champagnerlounges und Selbstbedienungsrestaurants für Hunderte Gäste am Gletscher in lebensfeindlicher Höhe, mit Schutzplanen abgedeckte schmelzende Gletscher überspannt von einer Seilbahn; all dies jetzt im Sommer verlassen und einsam, dystopisch.

Schaut man über die schändlichsten Exzesse hinweg, gibt es jedoch viele epische Panoramen in die sich der Mensch harmonisch einfügt, denn die Alpen sind auch eine Kulturlandschaft.

Fast zärtlich mein fotografischer Blick auf liebenswürdig-hilflose Versuche des Menschen, die Natur mit Bretterzäunen, fragilen Schildern im Nirgendwo und einer sommerlichen Baustelle jenseits der Baumgrenze, zu bändigen. Betongewordene Träume von „Landzeit“, „Bergzeit“ und „Pizza / Kebap“ treffen auf Nutztiere und fragile Holzhütten inmitten eisiger und schroffer Einsamkeit aber auch auf liebliche Almen, die einen sattgrün umfangen.

Einfach fiel es mir nicht, diese Fotoserie zu sehen und zu finden. Es gelang mir für die gesamte Zeit des Urlaubs nicht, das dichotomische Denken in den Kategorien Berge vs. Meer abzulegen, auch angeregt durch Berichte an jene bergverliebten Freunde, die die Reise empfohlen hatten.

Und so habe ich das Gefühl, nicht die eigene Schönheit der Berge erfasst zu haben und in der Fokussierung meiner fotografischen Erforschung auf den Beziehungsraum menschliche Aktivität und Landschaft einen einfachen Ausweg gewählt zu haben.

Letztlich hatte ich mit der Reise in die Alpen vor allem meine eigene Sehnsucht zum Meer bestätigt gefunden.

Nächstes Jahr dann wohl wieder Skandinavien...